Im Nordosten Deutschlands liegt ein Gewässer der besonderen Art: der Peenestrom. Als Meeresarm der Ostsee trennt er die Insel Usedom vom Festland und beherbergt echte Räuberschätze. Christian Siegler war zusammen mit Markolf Bram und dessen Bruder Matthias unterwegs, um dieses Revier genauer zu erkunden.

Auf zum Reviercheck

Gespannt sitze ich in der Redaktion und fiebere meinem Feierabend entgegen – es soll endlich wieder auf den Peenestrom zum Barschangeln gehen. Für mich ist das keine Premiere. Vor drei Jahren war ich das erste Mal an diesem spannenden Gewässer, seitdem lässt mich der Strom nicht mehr los und ich pilgere mindestens einmal pro Saison gen Nordosten. Diesmal sind zwei Freunde, Markolf und Matthias aus Bayern dabei. Als ich gegen 16 Uhr in Hamburg starte, haben die Beiden nach knapp sieben- stündiger Fahrt ihr Ziel schon erreicht und sich bereits um Angelkarten gekümmert – wir können uns entspannt auf die kommenden zwei Tage freuen.

Einstrom – Ausstrom

Unser erster Angeltag beginnt nebelig. Im Morgengrauen starten wir den Bootsmotor und legen los: Ausfahrt Hafen, links halten, vorbei am Kiefernwäldchen und dann quer über den Strom zur Fahrrinne. Die ist deutlich tiefer als de Rest – bis zu 14 Meter. Doch erst einmal finden, bei dem dicken Nebel. Wir haben zeitweise Sichtweiten unter 50 Meter, was uns die Stellensuche nicht gerade erleichtert. Irgendwann entdecken wir aber eine Markierungstonne und finden dann auch recht schnell die Kante zur Fahrrinne. Anker ins Wasser, Bootsbeleuchtung anschalten, Ankerball aufstellen – das ist Pflicht. Und dann fliegen die schlanken Gummifische in die Fluten. Die Köder werden von der Strömung Richtung Ostsee gedrückt: Wir haben Ausstrom! Das bedeutet, die Wassermassen fließen aus dem Peenestrom ab.

Genau das ist das spannende an diesem Gewässer – die Strömungsverhältnisse können sich innerhalb weniger Stunden ändern und mit ihnen die Launen der Räuber. Abhängig von der Windrichtung wird das Wasser entweder Richtung Ostsee gedrückt, oder eben ins Landesinnere – dann spricht man von Einstrom. Dabei kann der Strömungsdruck so massiv werden, dass wir mit Bleikopfgewichten von 40 Gramm Schwierigkeiten bekommen, den Köder am Grund zu halten. Bei welcher Strömungsrichtung die Räuber mehr Appetit haben, kann man nicht genau sagen – ich habe bei beiden Varianten schon gut gefangen. Wenn allerdings keine Bewegung im Wasser ist, wird es schwer, die Räuber ans Band zu bekommen.

Eine Frage der Zeit

An unserem ersten Angeltag strömt es jedoch und wir kommen mit Bleikopfgewichten um die 25 Gramm gut klar. Lange dauert es nicht, bis die ersten Barsche und Zander unsere Gummiköder attackieren. Der Herbst ist die klassische Barschzeit am Strom. Wenn die Temperaturen fallen und die Tage kürzer werden, ziehen die Stachelritter mit den orangenen Flossen in großen Stückzahlen von der Ostsee in den Peenestrom. Massenfänge sind jetzt möglich und die Durchschnittsgröße von 30 Zentimeter lässt die Angelei zur echten Spaßaktion werden. Barsche von über 40 Zentimetern sind immer drin, ein Fünfziger gilt natürlich auch hier als echter Ausnahmefisch. Doch der Strom kann noch mehr! Auch Zander und Hechte wachsen hier zu echten Traumfischen heran.

Die warmen Sommermonate gelten für Glasaugen als Topzeit. Im Juni und Juli hört man regelmäßig von Zanderfängen über der 90-Zentimeter-Marke. Im Oktober wandern die großen Fische mit der Stachelflosse ab, doch das heißt nicht, dass die Angelei auf die Glasaugen nun keinen Sinn mehr macht – der Strom belohnt die Fleißigen auch zu dieser Zeit mit etlichen Zander-Tocks, wobei ein 70er jetzt als guter Fisch angesehen werden kann. Wer den Hecht seines Lebens fangen möchte, der sollte sich warm anziehen: Kurz vor der Schonzeit, im Januar und Anfang Februar, bringen große Köder kapitale Entenschnäbel in den Kescher, doch auch in den Sommermonaten werden gute Fische gefangen.

Jetzt wird’s schwer!

Wir konzentrieren uns natürlich weiter auf die Stachelritter. Unser zweiter Angeltag beginnt wieder mit dickem Nebel, doch wir hoffen, dass sich die Wetterlage noch ändern wird. Schließlich wollen wir zum Hafen nach Karlshagen. Hier verengt sich der Peenestrom und die Fahrrinne ist extrem tief. Das ist ein echter Hotspot, den wir natürlich nicht auslassen wollen. Und wir haben Glück – der Nebel lichtet sich. Allerdings ist die Strömung an diesem Tag extrem. Der Wind drückt das Wasser immer noch Richtung Ostsee, doch jetzt kommen wir selbst mit 35-Gramm-Bleiköpfen nicht mehr zum Gewässerboden. Obwohl an der Engstelle von Karlshagen etliche Boote ankern und wir Schwierigkeiten haben, überhaupt noch einen guten Platz zu ergattern, verlassen wir diesen nach einer halben Stunde wieder. Die Strömung drückt einfach zu heftig und wir beschließen, eine breitere Stelle des Stroms anzufahren. Die Entscheidung war richtig – schon nach wenigen Würfen landen wieder Räuber im Boot. Jetzt wird die Angelei wirklich kurzweilig und jeder von uns fängt einige Barsche um die 35 Zentimeter. Dick und rund wie sie hier nun einmal sind, kämpfen die hübsch gefärbten Großmäuler in der Strömung richtig gut. Ich bin zufrieden!

Das blaue Monster

Am frühen Nachmittag wird das Wetter richtig schön: blauer Himmel und Sonnenschein. Und auf einmal ist es da, das Peenestrom-Feeling! Als ich meinem Kumpel Markolf dabei zusehe, wie er einen dicken Barsch drillt, es wenig später auch bei mir beißt und über uns der Seeadler seine Bahnen zieht, atme ich tief durch und fühle mich lebendig. Deshalb gehe ich angeln, darum bin ich hier. Ich schaue in die Gesichter meiner Bootspartner und bemerke, dass ich nicht der Einzige bin, der so denkt. Echt genial.

Wir angeln noch eine Weile an dieser Stelle weiter und genießen die Stimmung, doch ein Hotspot steht noch auf meiner To-Do-Liste: die blaue Brücke von Wolgast, oft als „Blaues Monster“ bezeichnet. Dieses imposante Bauwerk verbindet das Festland mit der Insel Usedom und ist häufig für einen dicken Hecht gut. Aber Vorsicht: Unter der Brücke herrscht extreme Hängergefahr, denn die Überreste der alten Brücke von Wolgast wurden hier versenkt – nicht schlecht für Hecht. Doch das Blaue Monster hat wohl großen Hunger: Nach einer halben Stunde und ungefähr fünf Köderverlusten verlassen wir den Spot ohne Fisch. Auch das gehört hier einfach dazu. Entspannt steuern wir wieder die Fahrrinne an. Ankern hier und da und fangen noch einige Zander und Barsche. Der Peenestrom belohnt uns zum Abschied mit einem spektakulären Sonnenuntergang. Keiner von uns jagt in diesem Moment noch einem kapitalen Fisch hinterher, wir werfen einfach gelassen unsere Köder aus und genießen die Stimmung.

Tacklebox für Stromangler

Hardware
Wer wirklich vielseitig schen möchte, kommt am Peenestrom um mehrere Combos nicht herum. Eine straffe, 2,40 Meter lange Spinnrute mit einem Wurfgewicht von 20 bis 50 Gramm, bestückt mit
einer 2500er Stationärrolle und 0,14er Geflochtener sollten Sie auf jeden Fall an Bord haben. Falls die Strömung nicht so stark drückt, können leichte Jigs an einer Rute mit einem Wurfgewicht bis 25 Gramm erfolgreich sein. Mit einer 0,10er Geflochtenen liegen Sie dann genau richtig. Haben Sie es auf die dicken Hechte abgesehen, darf es ruhig schweres Gerät werden: Eine Rute mit Wurfgewicht bis 100 Gramm gepaart mit einer 4000er Stationärolle und 0,18er Geflochtener machen nun Sinn. Extratipp: Wer gerne mit Jerkbaits fischt, ist hier nicht am schlechtesten Gewässer für diese Methode!

Software
Als Topköder für Barsch und Zander haben sich Gummifische von 8 bis 15 Zentimetern Länge erwiesen. Bei der Farbwahl dürfen Sie experimentieren: An manchen Tagen fahren die Räuber voll auf gedeckte Muster ab, an anderen fangen Sie mit neongelben Ködern deutlich mehr. Das Wichtigste ist aber, eine große Auswahl an Bleiköpfen für die unterschiedlichen Strömungsverhältnisse dabei zu haben: Mit 10 bis 40 Gramm schweren Jigs sind Sie bestens für den Strom gerüstet. Für die Hechtangelei dürfen Gummifische bis 25 Zentimeter, große Wobbler und Jerkbaits eingepackt werden.

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