Seit Tagen bläst der Nordostwind in mein Gesicht. Vor mir liegen die Ruten auf dem Rod Pod und warten auf Arbeit. Alle Bissanzeiger, die vor Wochen noch laute Töne und blinkende Lichter von sich gaben, sodass Disco-Feeling aufkam, schweigen mittlerweile viel zu lange …
Nachts sinken die Temperaturen auf gerade mal fünf Grad. Schlägt das Wetter den Karpfen auf den Magen? Dabei hatte ich mich so auf die schöne Zeit an meinem Lieblingssee gefreut. Jetzt im Oktober, eine der heißen Phasen für die Rüsslerjagd, will ich die Dicken ernten. Doch alle Mäuler bleiben verschlossen. Was tun? Ich überlege, an ein anderes Gewässer zu wechseln. Aber das will ich meiner Perle nicht antun. Eine Nacht gebe ich ihr noch, um zu zeigen, dass sie es gut mit mir meint. Außerdem ist es eine Wonne, jeden Morgen erneut Herrn Eisvogel begrüßen zu dürfen. Und da die Ruten schon seit einer Ewigkeit in der gleichen Position verharren, sind sie für den leuchtend blauen Gesellen ein perfekter Ort, um ein Päuschen einzulegen.
Die letzte Nacht bricht an und ich verkrieche mich in meinen Schlafsack. Mitten im Dunkeln werde ich aus den Träumen gerissen. Der Bissanzeiger erwacht aus seinem Dornröschenschlaf: Piep, Piep, Piiiieeeeeep! Ich kann es nicht fassen und etwas später gleitet ein richtiger Brummer in die Keschermaschen. 34 Pfund Herbstgold schenkt mir der See. Klar, dass ich nach diesem Fang nicht einpacke. Der Bann scheint gebrochen, die Spiegler schlagen sich die Bäuche voll. So darf ich dann auch eine 40-pfündige Dame in meinen Armen halten. Manchmal lohnt es sich, einfach noch etwas zu bleiben. Angeln ist so oft eine Gratwanderung zwischen Erfolg und Niederlage. Egal, wie es kommt, die Zeit am Wasser bleibt immer in Erinnerung. Nach meiner Tour wird sich Herr Eisvogel bestimmt wundern, wo denn die drei langen Äste am Ufer geblieben sind. Er sucht sich fortan einen anderen Rastplatz – aber nur solange, bis ich erneut zu meiner Perle fahre.