Hans E. Nischkauer schaute dem Norweger Thomas Knutsen über die Schulter. Oder genauer gesagt, auf die Finger. Denn auch ohne Bindestock zaubert der talentierte Binder wunderschöne Fliegen in Handarbeit.
Dass man für Lachsfliegen, egal ob sie auf Einzel- oder Doppelhaken, auf einem Röhrchen oder auf Waddington Shanks und egal ob sie als einfache oder kompliziert aufgebaute Muster gebunden werden, Bindestöcke verwendet, war nicht immer so. Bei Hardy etwa wurden bis in die späten 1960er Jahre alle Lachsfliegen von den professionellen Bindern in der Hand gebunden, während die Konkurrenz ihre Fliegen längst aus Billiglohnländern bezog. Apropos Hardy: Lachsfliegen wurden im „fly shop“ ausschließlich von Männern gefertigt, da Frauen angeblich nicht kräftig genug waren, diese Art Fliegen herzustellen. Übrigens scheiterte die Einführung von Bindestöcken für die Lachsfliegenproduktion an der Weigerung der „fly-dresser“, ihre fließenden Arbeitsschritte der Starre der Bindestöcke anzupassen [i].
Binder aus Norwegen
Seit der wahrscheinlich ersten schriftlichen Erwähnung eines Bindestocks zum Binden der großen Lachsfliegen in Samuel Taylors „Angling in All Its Branches“ [ii] von 1800 sind an diesem Werkzeug so gut wie ununterbrochen Verbesserungen vorgenommen worden, sodass heutige Modelle fast alles können, außer selbständig Fliegen zu binden. Und trotzdem werden Lachsfliegen noch immer und schon wieder in der Hand gebunden – „noch immer“ etwa von Ken Middlemist, dem letzten professionellen „Salmon-Fly-Dresser“ aus dem Hause Hardy, und „schon wieder“ etwa von Sven-Olov Hård, der mit „Tied in the Hand“ [iii] einen neuen Klassiker schrieb, oder von Alberto Calzolari, der alle Fliegen für den dritten Band der „Blacker’s Trilogy“ [iv] band, oder von Thomas Knutsen, einem jungen norwegischen Binder, der klassische Lachsfliegen zum Fischen bindet und sie auch gerne dafür verwendet (sehen würde). (…)
[i] Mündliche Mitteilung von Ken Middlemist.
[ii] Samuel Taylor: „Angling in All Its Branches &c, &c, &c“; T. N. Longman and O. Rees, London 1800; S. 250:
„For the better convenience of making these large flies, you should be provided with a very small vice, for the purpose of holding the hook, that you may have both hands at liberty to put in your materials, which will enable you to dress the flies more neatly as well as more perfect“.
[iii] Sven-Olov Hård: „Tied in the Hand – Odyssey of a salmon fly-tyer“; Coch-y-Boddu Books; Powys 2012.
[iv] Andrew Herd, Hermann Dietrich-Troeltsch & Alberto Calzolari: „The Blacker Trilogy“; The Medlar Press, Ellesmere 2017.
Text und Fotos: Hans Nischkauer
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